Аннотация: Es gibt vieles, was wir nicht wissen können. Und man muss Gott dafür dankbar sein, dass er es uns eröffnet.
Die Unbestendigkeit des Schicksals...(de)
Autor: Prof. Dr. med. Victor Hoppe, Opfer politischer Repressionen in der Kindheit und Jugend (zwischen 3. und 17. Lebensjahr: 28.08.1941 - 17.01.1956). Ehemaliger Grunder und Leiter des Lehrstuhls fur Zahn-, Mund-, Kiefer- und Plastische Gesichtschtschirurgie (1979 - 2004). Die Erfahrung der Klinik wurde in sechs kandidaten und zwei Doktoren Dissertationen zusammengefasst. Zwei Mitarbeiter dieser Kafedr erhalten den Professoren und vier - Dozenttitel. Mitbegrunder und erster Dekan der Stomatologischen Fakultat an der Fernostlichen Staatlichen Medizinischen Universitat (Chabarowsk) 1979- 1985.Emalige Studenten den Fakultet praktiziren überall in die Welt. Grundete seine Praxsic, Lehrstulen, Fakulteten, wissenschaftlige Instituten, führen Gemeinschafaft Stomatologen Regionen und Russische Federazion. Mitbegrunder u. Prediger der Evangelisch Lutherischen Sankt Johannes Gemeinde in Chabarowsk (1993-2004). President der Synode der Evangelisch Lutherischen Kirche Ural, Sibirien und Fernosten der Russische Federati-on (1995-2004). Beratende Funktion bei der Kommission zur Reform des Gesundheitswesens BRD beim Bundeskanzleramt (2004). Mitbegrunder und Lehrtatigkeit an der privaten "Akademie fur innovative dentale Implantologie" in der Dental praxis von A. Weis in Frankfurt am Main (Hochst) ab 2007. Prediger fur Auslander- und Aussiedlerseelsorge der Federation Evangelischer Kirchen in Mitteldeutschland ab 2004. Kleine Literatur Geschichte von 1998 pupliieziert.
Die Dekanatssekretarin bestellte mich nach der Vorlesung zu sich und teilte mir mit, dass ich mich morgen in der "1. Abteilung" der Personalabteilung des Institute melden solle. Ich musste mich gegen 16:30 Uhr am Zimmer Nr. 16 neben der Personalabteilung einfinden und auf dem Flur warten, bis man mich hereinbittet. Der Seminargruppenalteste oder der Komsomolgruppenleiter der Seminargruppe oder die Sekretarin des Dekans waren stets im Bilde und wussten, aus welchem Anlass der ihrem Schutz unterstehende Student vorgeladen wurde. Jedoch nicht in diesem Fall. Da solche Vorladungen am Institut ein schlimmes Ende nehmen konnten, war ich bereits am Vorabend auf alles vorbereitet. Ich ging noch mal all meine Vergehen als Student durch, die eine Vorladung zum Dekan, Prorektor für Lehr- und Erziehungsarbeit oder zur Komsomolleitung rechtfertigen würden. Zumal der "Fall unserer Gruppe" über die Organisation einer Demonstration der Leichenkadaver von Obdachlosen nicht zur Ruhe gekommen war. Wolodja S. hatte uns angestiftet, sie in seinem Nachtdienst in der Anatomie an den Wanden aufzustellen, wo am frühen Morgen die Lehrveranstaltungen zur menschlichen Anatomie unserer Seminargruppe stattfinden sollten. So dumm waren wir.
Am Morgen haben wir auf die Mädels gewartet. Wir ließen ihnen den Vortritt in den dunklen Anatomiesaal und ließen sie das Licht einschalten. Die Wirkung war natürlich enorm. Zur Ehre der Mädels sei gesagt, dass sogar wir uns erschrocken haben. Die Dekoration wurde sofort entfernt, und als die Lehrkraft kam, war alles in bester Ordnung. Der Lehrer bemerkte die Aufregung bei den Mädels, versuchte aber nicht den Grund dafür herauszufinden. Dessen ungeachtet wurde die Sache am Institut bekannt. Da aber niemand sich darüber beschwert hatte und, was am wichtigsten ist, niemand ein aufrichtiges Geständnis abgelegt hatte, wurden wir auch nicht des Institute verwiesen. Aber der Rektor des Instituts, der übrigens als erster Zigeuner Professor wurde, ließ unsere Gruppe lange Zeit Reparaturarbeiten verrichten. Wir wurden auf die "schwarze Liste" gesetzt, erhielten aber für die Arbeit Geld. Und es bleibt anzumerken, dass sich unsere Kopfe in der Folgezeit aufheiterten. Einer wurde Mitglied der Russischen Akademie der Wissenschaften, zwei von uns wurden Rektoren, drei Professoren und Dozenten. Einzig Edik hatte kein Gluck im Leben. Er starb an einer verdeckten Myokarditis im zweiten Jahr seines Arztdienstes. Sein Sohn wuchs als ehrbarer Mensch heran.
Aus dem Zimmer schaute ein junger Mann und bat mich herein. Er stellte sich als Mitarbeiter des Komitees Großer Bohrungen vor (man lese nur die Anfangsbuchstaben). Er nannte seinen vollstandigen Namen, aber er riet mir sogleich, ihn nicht einzuprägen. Und so kam es auch.
Ich habe die Scharfe der Ereignisse in diesem Moment so stark empfunden, dass diese Information mir nicht so wichtig erschien und nicht in der grauen Hirnsubstanz Spuren hinterließ. Seine erste Frage lautete: warum sich in meinem Koffer illegale Aufnahmen von Liedern sowie zwei Zeitungsportrats von deutschen Nazis befanden. Alles passte zusammen.
Zu viert mieteten wir ein kleines Zimmerchen bei der Besitzerin eines Privathauses. Dafür ging ein Viertel unseres Stipendiums drauf, und wenn wir nicht manchmal ein Nebeneinkommen gehabt hatten, hatten wir überhaupt nicht studieren können. Die schwarze Liste des Rektors hat uns oft gerettet.
Die Hauseigentümerin hatte einen Sohn, der nach Abschluss
der Ausbildung zum Tierarzt nur zu Hause herumlungerte. Er verkaufte den Hausrat und borgte sich in der ersten Zeit Kleingeld bei den Bewohnern aus, ohne es je zurückzugeben. Er hat sich unsere Mietzahlungen genommen und sie versoffen.
Aus irgendeinem Grunde hatte ich mich öfter als die anderen mit ihm gestritten. Irgendwann einmal, als ich abends nach dem "Nebenverdienst" müde nach Hause kam, wurde ich von ihm beschuldigt, im Besitz der Portrats und der "Rippenschallplatten"* zu sein. Ja, die Schallplatten hatte ich bereits ein halbes Jahr. Aber die Portrats, das war reine Provokation. Der Großvater und der Vater, die die Schule der Arbeitsarmee (GULAG) absolviert hatten, hatten mich, bevor ich zum Studium ging, besonders davor gewarnt. Ich bat Artur, mit dem ich in einem Zimmer wohnte, den Koffer im Beisein des Sohns der Eigentümerin zu öffnen. Die Schallplatten kamen zum Vorschein und darunter die Portrats. Artur legte die Bilder in einen Umschlag und versteckte sie. Er wollte damit zur Miliz gehen, um den Sohn der Eigentümerin anzuzeigen. Somit hatte ich damit nichts zu tun.
Am selben Abend hatten wir den Sohn so verdroschen, dass er drei Tage lang nicht aufstehen konnte. Die Hausbesitzerin bat uns nicht an die Miliz zu wenden, und so galt die Sache als nicht geschehen. Und das Ergebnis folgte nach drei Wochen. Ich musste erklaren, dass mir die
---------------------------------------__
*Auf gebrauchten Röntgenplatten mit der Darstellung von Knochen des Skeletts, auf dem üblichen Grammaphon und unter Zuhilfenahme von einigen Vorrichtungen wurden Aufnahmen von Liedern hergestellt. Die Röntgenaufnahmen hatten die Form und Größe einer Schallplatte, weshalb sie auch "Rippenschallplatten" genannt wurden.
Portrats vom Sohn der Hauseigentümerin untergeschoben wurden und zugeben, dass ich die Schallplatten auf dem Flohmarkt gekauft hatte. Man erklarte mir, dass auf den Bildern keine Fingerabdrucke von mir seien. Seit wann und woher hatten sie meine Fingerabdrucke zum Vergleich? Man klarte mich ausfuhrlich über den verderblichen Einfluss westlicher Kulturen und insbesondere des Jazz auf. "Heute tanzt du zur Jazz-Musik, und morgen verkaufst du deine Heimat." Darüber, dass die Heimat mich verraten hatte als ich drei Jahre alt war und ich nach Sibirien deportiert wurde, musste ich allerdings schweigen.
Und man vergaß, dass es den Russlanddeutschen erst seit 1957 wieder erlaubt war, an einer Hochschule zu studieren und dass mein Volk bis heute noch nicht den Status quo von Anfang 1941 zurückerhalten hat, man vergaß den Kannibalismus des damaligen Regimes zu erwähnen. Die Rontgenplatten, darunter auch Aufnahmen des Brustkorbs, wurden von den Studenten zum Selbstverlag der Lieder von Villi Tokarev, Ivan Rebrov, Fedor Saljapin, Aleksandr Vertinskij, Vadim Kozin, Leonid Utesov, Vladimir Vysockij, Helena Velikanova und anderer illegaler Sanger benutzt. Durch die Aufzeichnungen auf den sogenannten "Rippenschallplatten" hatten die Studenten die möglichkeit, das zu hören, was ihnen gefiel, wenn auch nicht in der besten Qualität. Die Herstellung, Verbreitung, ja sogar das Horen dieser "Schallplatten" wurde zu Machenschaften der "Volksfeinde" erklart. эberhaupt wurden mir gehörig die Leviten gelesen. Dem großen Vertrauen der Heimat, mir eine Hochschulbildung zu gewähren, musste man gerecht werden.
Die Teilnahme an der Instandsetzungstruppe des Rektors, die vielseitige Beteiligung an sportlichen Tätigkeit sowie die personlichen Leistungen als Sportier erlaubten es dem Gesprächspartner aus der "gründlichen Bohrung" zu hoffen, dass aus mir ein Arzt werden kann. Und er versprach mir, dass noch keine administrativen Maßnahmen gegen mich eingeleitet werden wurden. Das heißt, man werde mich noch nicht aus dem Institut werfen. Er stellte mir damals im Jahre 1958 eine interessante Frage. Die gleiche Frage hat mir nach vielen Jahren am 14.07.2006 auf einem seiner letzten Konzertauftritte Hans Rolf Rippert (Ivan Rebrov) gestellt, als er seine Autogrammkarte unterschrieb: Warum wir nicht die Emulsionsschicht von den Rontgenplatten entfernt haben, bevor wir mit dem Aufzeichnen begannen? Und da komme ich jetzt in eine Sackgasse. Nein, das war kein Masochismus mit dem Vorzeigen der Menschenknochen. Allein nach dem Entfernen der Emulsion ging der besondere Klang verloren.
Ich konnte nicht wissen, dass es mir in meinem Leben gelingen wird, einen Menschen zu treffen, der im Zug im Kreis Spandau bei Berlin geboren wurde. Er wurde nicht nur auf der Reise geboren, er brachte sein ganzes Leben mit Musikreisen zu, und nur, damit andere Leute seine 4,5 Oktaven hören konnten. Auf seiner letzten Konzertreise war er physisch und psychologisch zum Treffen mit Antoine de Saint-Exupery in einer anderen Welt bereit. Nach dessen Worten Saint-Exupery: " das, was ich ausgehalten hatte, kein Lebewesen ausgehalten hatte". Man kann das Schicksal der Russlanddeutschen, der Einsiedler des sowjetischen, und jetzt auch des russländischen, Systems nicht treffender charakterisieren. über dem Mittelmeer schoss der Bruder Ivan Rebrovs, Horst Rolf Rippert, den Autor des "Kleinen Prinzen" ab, der vor vielen Jahren auch sich auswirkte : "...wenn ich es gewusst hätte..."
Es gibt vieles, was wir nicht wissen können. Und man muss Gott dafür dankbar sein, dass er es uns eröffnet. Dem einen ist es die Entschädigung für den Holocaust, als Einwohner Leningrads wahrend der Blockade, dem anderen ein Betonblock. Konnten wir denn mit unseren Nachbarn wissen, als wir im Jahre 2004 loszogen ein Grabdenkmal zu bestellen, dass wir einen "singenden Steinmetz" treffen werden. Ronny Weiland ist der Nachfolger Ivan Rebrovs. Zu jener Zeit wusste selbst er noch nichts von seiner göttlichen Gabe. Die ersten Gesangsstunden erhielt er an einer Musikschule in Erfurt. Seine ersten musikalischen Erfolge erzielte er vor uns als Publikum, vor russlandischen Aussiedlern in der Begegnungsstatte der Stadt Apolda. Als er auf den Buhnen Apoldas aufzutreten begann, unterstutzten ihn die Einwohner einmutig und organisierten sogar einen Fanclub, dessen Mitglieder ihn auf seinen Konzertreisen nach Osterreich, in die Schweiz, nach Frankreich und innerhalb Deutschlands begleiten. Zu den Weihnachtsfeiertagen 2008 trat er im berühmten Friedrichstadtpalast Berlin auf. Dank seiner Kontakte können die Einwohner jetzt auch andere Musikgruppen in der Lutherkirche Oder der Stadthalle erleben. Nach dem Ableben Ivan Rebrovs tritt Weiland nunmehr mit dessen Gruppe "Sabawa" auf. Wenn man sich CDs mit seinem Gesang anhort, erinnert man sich an die "Rippenschallplatten" aus der Jugendzeit und man wundert sich über die Unbeständigkeit des Schicksals.