Vorgebliches Ziel der "Scientology Kirche Deutschland e.V." (SKD), einer Teilorganisation der 1954 in den USA gegründeten "ScientologyґOrganisation" (SO), ist die Schaffung einer "Kulґtur ohne Krieg, ohne Wahnsinn und ohne Kriminalität".247 Die angestrebte Gesellschaft wird beschrieben als "eine Zivilisation ohne Geisteskrankheit, ohne Verbrecher und ohne Krieg, in der der Fähige erfolgreich sein kann und ehrliche Wesen Rechte haben können und in der der Mensch die Freiheit hat, zu größeґren Höhen aufzusteigen".
Aus einer Vielzahl von Publikationen der SO ergibt sich jedoch, dass in einer nach ihren Vorstellunґgen gestalteten Gesellschaft wesentliche Grundґ und Menschenґrechte wie die Menschenwürde, das Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit und das Recht auf Gleichbehandlung abgeґschafft bzw. eingeschränkt würden. So propagiert der SOґGründer L. Ron Hubbard (1911 - 1986) - seine ständig neu aufgelegten Schriften bilden nach wie vor die Grundlage für die Ideologie und Zielsetzung der gesamten Organisation - die Einführung einer scientologischen Zweiklassengesellschaft:
"Eine ideale Gesellschaft wäre eine Gesellschaft nichtaberrierter Menschen, Clears, die ihr Leben in einer nichtaberrierten Kultur führen: (...) Vielleicht werden in ferner Zukunft nur dem Nichtaberrierten die Bürgerrechte vor dem Gesetz verliehen. Vielleicht ist das Ziel irgendwann in der Zukunft erreicht, wenn nur der Nichtaberrierte die Staatsbürgerschaft erlangen und davon profitieren kann. Dies sind erstrebenswerte Ziele."
(Hubbard, "Dianetik - Ein Leitfaden für den menschlichen Verstand",
Ausgabe 2007, S. 482 f.)
Zudem strebt die SO eine Gesellschaft ohne allgemeine und gleiґche Wahlen an. "Wahre Demokratie" ist nach Hubbards Lehre nur in einer Nation von "Clears" möglich. Seine Schriften enthalten Passagen, in denen die Abschaffung von Prinzipien der freiheitґlichen demokratischen Grundordnung zugunsten des Aufbaus einer neuen Zivilisation gefordert wird.
Hubbard beschreibt die scientologische Zivilisation u.a. als Rechtsordnung, in der die Existenz des Einzelnen - gar das Lebensrecht selbst - vom willkürlichen Ermessen der SO abhängt. Demnach stehen Grundґ und Freiheitsrechte nur den Personen zu, die nach einer Auslese aus Sicht der Organisation zu den "Ehrґlichen" gehören.
Die SO lehnt das demokratische Rechtssystem ab und will es langfristig durch ihren eigenen Gesetzeskodex ersetzen. Insbesonґdere im Bereich der SOґTeilorganisation "World Institute of Scientology Enterprises" (WISE) - ein Zusammenschluss unternehmerisch tätiger Scientologen - ist bei Streitigkeiten von Mitgliedern untereinander die Anrufung eines sogenannten CharterґKomitees vorgeschrieben, die im scientologischen Rechtssystem als "Gerichte" fungieren. Die Zahl der in Deutschland etablierten "CharterґKomitees" ging im Berichtszeitґraum auf nunmehr fünf Komitees zurück. WISEґMitglieder verґpflichten sich, den organisationseigenen Kodex einzuhalten, d.h. insbesondere auch bei Streitigkeiten mit anderen Mitgliedern keine rechtsstaatlichen Gerichte anzurufen, sondern sich auf ein internes Verfahren zu beschränken. Die Nichteinhaltung dieses Verfahrens stellt in den Augen der SO eine "unterdrückerische Handlung" dar, die eine Einstufung als "unterdrückerische Perґson" zur Folge haben kann.
Die SO erklärt, ihr Ethikґ und Rechtssystem sei "mehr als eine rein persönliche Angelegenheit. Es ist ein wesentlicher Bestandteil des umfassenderen Erlösungszieles".249 Die "CharterґKomitees" sind aus Sicht der SO der rechtsstaatlichen Gerichtsbarkeit überlegen:
"Die Idee und die Ausübung von Recht, wie es heute in der Gesellschaft existiert, ist jedoch zunehmend ineffektiv. Recht und Unrecht, Schuld und Unschuld werden kaum in Betracht gezogen. (...)
L. Ron Hubbard entwickelte ein anderes System, eines, das seinesgleichen sucht: ein System, das sowohl schnell als auch gerecht ist und das man verwenden kann, um die anständigen und produktiven Menschen zu schützen".
(Homepage eines deutschen "Charter-Komitees" von WISE-Mitgliedern, 26. November 2012)
Der totalitäre Charakter der Organisation zeigt sich u.a. darin, dass die SO eine weitestgehende Kontrolle über ihre Mitglieder anstrebt. Diese werden z.B. dazu aufgefordert, "Wissensberichte" über "jegliche unterdrückerischen Handlungen gegen Scientology oder Scientologen" oder Fehlverhalten von Gruppenmitgliedern zu verfassen und an das "Religious Technology Center" (RTC) in den USA zu melden. Als Fehlverhalten gilt etwa auch, "öffentlich von Scientology wegzugehen".
Die SO ist bestrebt, sich in der Öffentlichkeit als unpolitische und demokratiekonforme Religionsgemeinschaft darzustellen. Ihr politisches Fernziel, eine scientologische Gesellschaft, versucht sie daher nicht durch Teilnahme am Prozess der politischen Willensґbildung zu erreichen, sondern durch eine ständige Vergrößerung der Organisation, Steigerung der Einnahmen sowie durch erfolgґreiche Bekämpfung ihrer Kritiker. Zu den eigentlich verfolgten Zielen heißt es in einer Broschüre der SOґTeilorganisation "Interґnational Association of Scientologists" (IAS):
"Während wir unsere humanitären Programme weithin verbreiten, sind sie lediglich ein erster Schritt in Richtung unseres letztendlichen Ziels eines geklärten Planeten."
("Wir sind die IAS", 2010, S. 40)
Von besonderer Bedeutung für die IAS ist der Aufbau sogenannter Idealer Orgs in "kulturellen Zentren bedeutender Weltstädte". Von dort aus soll das Gedankengut der SO "auf noch nie dagewesenem Niveau in die Gesellschaft einströmen".251 In Deutschland exisґtieren bislang zwei "Ideale Orgs": Die SOґNiederlassung in Berlin wurde 2008 gegründet, seit dem 21. Januar 2012 gibt es auch in Hamburg eine Einrichtung dieser Art.
Regionale Schwerpunkte in Bezug auf Mitgliederanzahl und Aktiґvitäten der SO sind in Deutschland weiterhin Bayern, BadenґWürttemberg, Berlin, der Großraum Hamburg sowie NordrheinґWestfalen. Daneben gibt es in Hessen und Niedersachsen jeweils eine größere Anzahl an Mitgliedern.
Die SO führte auch 2012 ihre Werbeaktivitäten zur Gewinnung neuer Mitglieder regional fort. Wie schon in den Vorjahren blieben diese Aktionen - überwiegend Infostände in Fußgängerzonen - in der Regel ohne größeren Zuspruch in der Bevölkerung. In Berlin, dem Schwerpunkt der Werbemaßnahmen in den letzten Jahren, war zudem ein Rückgang der öffentlichkeitswirksamen Aktivitäґten der SO zu verzeichnen.
Die SO nutzt das Internet zunehmend als zentrale Werbeplattґ form und hat ihr Angebot entsprechend weiter ausgebaut. Auf technisch aufwendig gestalteten, umfangreichen Homepages bieґtet die SO in mehreren Sprachen Informationen zu ihrer Geschichte, ihren Zielen und Teilorganisationen sowie zu den von ihr geförderten Programmen an. Darüber hinaus wirbt sie auch dort für ihre Schriften und Kurse. Im Vergleich zu den Vorjahren bietet die Organisation verstärkt kostenlose "OnlineґKurse aus dem Scientology Handbuch" an, um Interessenten an das SOґAnґ gebot heranzuführen.
Beispielhaft für Aktivitäten von SOґTeilorganisationen ist die Kampagne der "Kommission für Verstöße der Psychiatrie gegen Menschenrechte e.V." (KVPM). In der SOґIdeologie gelten die Psyґchiatrie bzw. der gesamte Berufszweig der Psychiater als Feindbilґ der. Infolgedessen fokussiert die KVPM ihre Öffentlichkeitsarbeit auf entsprechende Proteste. Außenwirkung erzielte sie auch im Jahr 2012 wieder mit der Ausstellung "Psychiatrie: Tod statt Hilfe", die u.a. im Juli 2012 in Frankfurt am Main (Hessen) gezeigt wurde, sowie im Rahmen einiger Straßenaktionen und Mahnwachen, u.a. vor Kliniken. Die Organisation forderte zudem die Polizei dazu auf, gegen Psychiater vorzugehen. In Schreiben an einige Poliґ zeipräsidien behauptete sie, "dass Psychiater eine Art neue Kateґgorie von Straftätern hervorbringen können, ohne dafür jemals zur Rechenschaft gezogen zu werden".